Schon seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der menschlichen Psyche und den Methoden, die uns helfen können, ein glücklicheres Leben zu führen. Und je länger ich dies tue, umso klarer wird mir, dass die Selbstliebe der Schlüssel zum Glück ist.

 

Was aber hindert uns daran, einfach glücklich zu sein?

Wenn wir könnten, würden wir doch einfach entscheiden, glücklich zu sein. Aber leider stehen dem oft unsere eigenen Prägungen entgegen. Die wesentlichen Denkstrukturen in unserem Gehirn werden in den ersten Lebensjahren ausgeprägt. Und leider ist es so, dass viele von uns in Ihrer Kindheit nicht die bedingungslose Liebe erlebt haben, die dazu führt, dass wir uns so annehmen, wie wir sind. Unsere eigenen Eltern haben dies nicht erfahren und konnten es daher nicht an uns weitergeben. Da lernen wir dann, dass wir nur geliebt werden, wenn wir uns auf eine ganz bestimmte Art und Weise verhalten, oder erfahren viel Kritik, die in uns den Glauben festigt, nicht in Ordnung zu sein.
Diese „Glaubenssätze“ sind dann so tief in unserem Gehirn verankert, dass wir diese ganz unbewusst auch als Erwachsene immer wieder denken. Und uns damit selbst signalisieren, dass etwas mit uns nicht stimmt und wir irgendwie ja wohl doch nicht liebenswert sind.

 

Der Versuch, mich anzupassen, um mich geliebt zu fühlen

Ein kleines Kind hat das Bedürfnis, von seinen Eltern geliebt zu werden. Dies ist ganz tief in unseren Genen verankert – denn wenn uns unsere Eltern nicht lieben, könnte es ja passieren, dass Sie sich nicht ausreichend um uns kümmern. Da wir in den ersten Lebensjahren aber von unseren Eltern abhängig sind, wäre damit unser Überleben gefährdet. Das ist dann auch der Grund, warum wir schon sehr früh in unserem Leben Verhaltensweisen entwickeln, um uns so anzupassen, dass dies nicht geschieht. Das kann dann z.B. sein, dass ich sehr angepasst werde, um bloß nicht negativ aufzufallen oder mir bestimmte Emotionen, wie z.B. Wut, „abtrainiere“, da ich erfahren habe, dass deren Ausdruck zur Ablehnung durch die Eltern führt. Und schon leben wir nicht mehr unsere ureigene Persönlichkeit, sondern verdrängen Emotionen und bauen eine Fassade auf, von der wir glauben, dass sie „schöner“ ist, als wir uns wirklich fühlen.

Da diese Verhaltensweisen tief in unserem Unterbewusstsein verankert sind, setzen wir sie dann auch als Erwachsene nach wie vor um. Gleichzeitig spüren wir aber, dass diese Fassade nicht unserer Persönlichkeit entspricht und uns dies nicht wirklich glücklich macht. Die tiefsitzende Angst, die Liebe der Eltern zu verlieren, wird dann auf Freunde, Partner, Kollegen etc. projiziert und hindert uns nach wie vor daran, unsere ureigene Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

 

Selbstoptimierung

Wenn uns dann irgendwann bewusst wird, dass wir nicht wirklich glücklich sind, beginnen wir oft damit, uns selbst zu „optimieren“. Das fängt häufig mit Äußerlichkeiten an, wie z.B. Aussehen, Figur, Sportlichkeit, Geld, Erfolg etc., Manche bleiben in diesem Stadium stecken und versuchen ein Leben lang, Dinge im Außen zu erreichen. Immer mit dem – meist unbewussten – Gefühl: „Wenn ich das erreicht habe, dann bin ich glücklicher!“. Meist funktioniert das aber, wenn überhaupt, dann nur für eine begrenzte Zeit.

Die, die dies erkennen, beginnen dann in einem nächsten Schritt oft damit, sich „innerlich“ verändern zu wollen. Und damit sind sie auch auf einem guten Weg. Denn es gilt die Weisheit „Wie innen, so außen!“, d.h. wenn wir innerlich zufrieden und glücklich sind, dann zeigt sich dies auch in den äußeren Lebensumständen. Und es gibt viele hervorragende Methoden, die Glaubenssätze und Denkmuster zu verändern, die uns daran hindern, uns mit uns selbst wohl zu fühlen.

Leider führt die Selbstoptimierung oft aber auch genau zum Gegenteil dessen, was wir erreichen wollen. Dann nämlich, wenn wir dies auf der Basis tun, dass wir glauben, etwas sei mit uns nicht in Ordnung und ich müsste dies nur verändern, um dann glücklich zu sein. Dann bin ich nämlich in einem Kreislauf gefangen, aus dem manche ihr ganzes Leben lang nicht aussteigen können. Denn jedes Mal, wenn ich versuche, etwas an meiner Persönlichkeit, meinen Verhaltens- oder Denkweisen zu verändern, übermittele ich mir selbst die Nachricht „Ich bin nicht in Ordnung!“. Dann bestätige ich mir damit wieder einmal, dass dies so ist. Und sollte es mir gelingen, das ein oder andere zu ändern, dann wird mir schon noch etwas anderes einfallen, das ich an mir optimieren sollte.
Aber seien wir einmal ehrlich! Den perfekten Menschen gibt es nicht. Wenn wir aber versuchen, uns in diese perfekte Person (so, wie wir das für uns definieren) zu verwandeln, dann ist klar, dass uns dies bis an unser Lebensende nicht gelingen kann.

 

Akzeptanz und Selbstliebe

Können wir etwas für die Prägungen, die wir in unserer Kindheit erfahren haben? Ich denke, die Antwort darauf ist ganz einfach: „Nein, wir können nichts dafür!“
Oder glauben Sie, dass ein Säugling bewusst darüber entscheiden kann, ob er eine Situation als traumatisch empfindet und dadurch verursacht Ängste entwickelt oder wie er von seinen Eltern behandelt wird.

Unabhängig davon, ob ich an eine höhere Macht glaube (ob dies nun Gott ist, der entschieden hat, dass ich diese Kindheitserfahrungen gemacht habe, oder vielleicht sogar meine eigene Seele sich für diesen Weg entschieden hat) oder nicht: Klar ist, das ich in diesem Leben keine Chance hatte, eine andere Kindheit zu erleben, als die, die ich erlebt habe – und damit auch keine Möglichkeit hatte, meine Prägungen zu beeinflussen. Das hat nichts damit zu tun, in eine Opferrolle zu gehen („Ich armes Wesen, musste das alles erdulden!“), sondern einfach zu akzeptieren, dass „es ist, wie es ist“.

Wie wäre es nun also, wenn ich dies anerkenne und akzeptiere, dass ich unter den gegebenen Randbedingungen gar keine andere Möglichkeit hatte, als genau so zu werden, wie ich bin. Mit allen meinen Eigenschaften, die wir so gerne als positiv oder negativ bewerten. Ich habe also nichts falsch gemacht oder bin in irgendeiner Art und Weise unvollkommen. Aufgrund dessen, was ich erlebt habe, bin ich genau die Person geworden, die ich sein sollte – und daher absolut vollkommen.

Und statt an den Eigenschaften, die ich als negativ bewerte, rumzudoktern und zu versuchen, diese zu ändern (was, wie wir schon gesehen haben, eine endlose Arbeit sein kann), wäre es viel hilfreicher, zu lernen, mich so zu akzeptieren, wie ich bin – inklusiver aller Prägungen, Glaubenssätze etc. die wir oft als behindernd empfinden.

Denn dann kann ich aufhören, mich als „nicht in Ordnung“ zu erleben. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich mich nicht weiter entwickle. Erstaunlicherweise gelingt mir das dann oft sogar viel einfacher. Denn dann muss ich nicht mehr gegen mich selbst kämpfen (womit ich mir immer wieder bestätige, dass etwas mit mir nicht in Ordnung ist), sondern kann aus einer innere Ruhe und Kraft heraus neue Dinge lernen und erfahren. Und es ist in der Psychologie inzwischen erwiesen, dass eine „Hin-zu-Motivation“ viel stärker wirkt, als eine „Weg-von-Motivation“.

 

Ist Selbstliebe nicht egoistisch?

Viele von uns haben Glaubenssätze, die Selbstliebe gleichsetzen mit Egoismus. Und Egoismus wird dann als negativ bewertet – meist, weil wir das als Kinder so gelernt haben. Aber wirkliche Selbstliebe hat mit Egoismus gar nichts zu tun. Warum sollte es egoistisch sein, mich selbst zu akzeptieren und zu lieben? Leidet irgendjemand anderes darunter?
Eher das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich mich selbst so akzeptiere, wie ich bin, dann werde ich dies auch automatisch bei meinen Mitmenschen tun. Ich brauche es nicht mehr, andere verändern zu wollen, nur damit ich mich besser fühle. Und kann damit andere so sein lassen, wie sie sind und ihnen durch mein Verhalten vielleicht sogar helfen, auch sich selbst ein bisschen mehr zu lieben. Und das hat mit Egoismus sicherlich nichts zu tun.

 

Was kann ich tun?

Jetzt wirst Du Dich vielleicht fragen, „Ist ja alles schön und gut – aber wie soll das gehen?“. Hier gibt es sicherlich kein Geheimrezept, das dafür sorgt, dass Du Dich sofort selbst liebst. Aber gerade dann, wenn Du bereits einiges im Bereich Persönlichkeitsentwicklung getan hast, kannst Du gut darauf aufbauen. Es geht dabei in erster Linie darum, den Fokus zu ändern:

Vielleicht hast Du ja schon einmal eine Liste der Dinge gemacht, die Du an Dir gerne ändern würdest; vielleicht hast Du eine solche Liste auch einfach in Deinem Kopf. In letzterem Fall würde ich Dir empfehlen, diese Liste einmal zu Papier zu bringen. Anstatt aber nun daran zu gehen, diese Dinge ändern zu wollen (sei es über Arbeit mit Dir selbst, über Coachings, Seminare oder was auch immer), empfehle ich Dir, Dir zu jedem Punkt einmal folgenden Satz dazuzuschreiben (hier mal am Beispiel „Schüchternheit“):

„Ich erkenne an, dass ich schüchtern bin. Aufgrund dessen, was ich in meinem Leben erfahren habe, hatte ich gar keine andere Wahl, als schüchtern zu werden. Daher ist es genau so gekommen, wie es sein sollte, und ich bin vollkommen, so wie ich bin.“

Wenn Du dies für alle Themen auf Deiner Liste gemacht hast, dann suche Dir ein Thema aus und nehme Dir jeden Tag 5 min. Zeit, in denen Du die Augen schließt und Dir diesen Satz immer wieder selbst wiederholst. Mache zwischen den Sätzen eine kurze Pause und beobachte Deine Gedanken und Gefühle. Und wenn Du dann einen Widerstand dagegen spürst, diese Eigenschaft zu akzeptieren, dann ergänze den folgenden Satz:

„Ich erkenne an, dass ich einen Widerstand dagegen habe, schüchtern zu sein. Aufgrund dessen, was ich in meinem Leben erfahren habe, hatte ich gar keine andere Wahl, als diesen Widerstand gegen die Schüchternheit zu erzeugen. Daher ist es genau so gekommen, wie es sein sollte, und ich bin vollkommen, so wie ich bin“.

Mach das mit dem gewählten Thema so lange, bis Du damit in Frieden bist. Und wenn Du dann noch Bedarf hast, kannst Du das nächste Thema angehen. Du wirst aber überrascht sein, dass dies dann bei dem ein oder anderen Thema gar nicht mehr nötig ist.

Meine besten Wünsche auf dem Weg in die Selbstliebe,

Dein
Axel

Foto: Tim Reckmann/pixelio