Wir alle haben ihn und viele von uns kennen ihn sehr gut: Den inneren Kritiker!

Das ist der Teil von uns, der die Dinge kritisch betrachtet und oft nicht mit dem einverstanden ist, was gerade ist. Bei manchen von uns ist dieser innere Kritiker sehr stark ausgeprägt. Das führt dazu, dass wir gerne andere Menschen (oder Situationen) kritisieren. Als Konsequenz davon möchten wir diese Menschen dann gerne verändern.

Oft führt dies zu Missstimmungen mit unserem Gegenüber, denn diesem gefällt dies in den wenigsten Fällen. Und wenn wir einmal ganz ehrlich sind, dann wollen wir ja auch nicht, dass andere versuchen uns zu verändern. Oft wird dies dann emotional als Angriff aufgefasst, der zu einer Abwehrreaktion führt, die entweder in einem Gegenangriff (das führt dann zu den schönsten Streits) oder einer Rückzugs- bzw. Fluchtreaktion („Mit dem will ich nichts mehr zu tun haben.“) mündet. Das alles passiert natürlich eher auf unbewusster Ebene und wir sind uns unserer Reaktionen oft gar nicht bewusst. An den Auswirkungen sehen wir dann aber leicht, dass der innere Kritiker wieder zugeschlagen hat: Jemand ist verärgert, weil er sich von uns angegriffen fühlt, oder eine Beziehung geht in die Brüche, da man sich gegenseitig eher verletzt, als den anderen genau so anzunehmen, wie er ist.

 

Selbstkritik ist oft am stärksten

Besonders unangenehm wird es aber dann, wenn sich der innere Kritiker gegen uns selbst richtet. Oft gehen wir nämlich mit uns selbst viel härter ins Gericht, als wir das je bei anderen tun würden. Dann sagen wir uns innerlich, dass wir dies oder jenes ja doch nicht können, es nie zu etwas bringen werden oder sogar, dass wir einfach nichts wert sind. Das führt dazu, dass wir nicht selbst an uns glauben und uns dies oft auch unbewusst immer wieder selbst beweisen – indem wir an gewissen Dingen scheitern oder aber auch Herausforderungen schon von vornherein aus dem Weg gehen, weil wir glauben, diesen sowieso nicht gewachsen zu sein.

 

Woher kommt der innere Kritiker?

Entstanden ist dieser innere Kritiker in unserer Kindheit, meistens während der ersten Lebensjahre. Wurde ich in dieser Zeit von meinen Eltern nicht ausreichend wertgeschätzt und schlimmstenfalls viel kritisiert, so habe ich unbewusst diese Bewertungen übernommen. Da das Gehirn in dieser Zeit noch recht schnell zu beeinflussen ist, verankert sich eine solche Prägung sehr leicht. Blöd ist nur, dass diese Gedankengänge so automatisiert ablaufen, dass ich sie auch als Erwachsener immer wieder denke. Und da wir unsere eigenen Gedanken meistens für richtig halten, führt dies schnell dazu, dass uns dies daran hindert, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen.

 

Was passiert, wenn ich den inneren Kritiker loswerden möchte?

Wenn nun mein innerer Kritiker sagt, dass ich nicht gut genug bin oder dass ich mit meinem Leben nicht zufrieden bin, dann ist das oft der Auslöser dafür, dass ich beginne an meiner Persönlichkeit zu arbeiten. Ich lese Bücher, besuche Seminare, mache Coachings etc. Zum Glück ist es so, dass mich diese Dinge auch viel voranbringen können. Aber…das Paradoxe ist, dass es einerseits ja unser innerer Kritiker ist, der uns das Leben schwer macht – andererseits aber genau dieser innere Kritiker dann dafür sorgt, dass wir uns bewusst um unsere Persönlichkeitsentwicklung kümmern. Also kann der innere Kritiker ja nicht nur schlecht sein. Und genau dort liegt auch das Geheimnis verborgen. Wenn ich alles tue, um den inneren Kritiker „loszuwerden“, dann gebe ich ihm eigentlich nur noch mehr Macht über mich. Denn mit jedem „Ich muss noch dies oder jenes verändern, um glücklich zu werden.“ fühlt er sich wieder darin bestätigt, dass mit uns etwas nicht in Ordnung ist. Und eine solche Bestätigung führt in unserer Gehirnstruktur dazu, dass die entsprechenden Synapsenverbindungen verstärkt werden. Ich selbst habe viele Jahre versucht, meinen inneren Kritiker los zu werden und habe ihn damit eigentlich nur noch stärker gemacht. Und mich dabei irgendwie im Kreis gedreht.

 

Wertschätzung meines Anteils

Geändert hat sich das erst dann, als ich anfing, meinen inneren Kritiker als einen sehr wertvollen Teil von mir anzusehen. So hat er mir in meinem früheren Job als Ingenieur häufig dabei geholfen, Probleme bereits im Vorfeld zu erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Noch heute greife ich bewusst auf ihn zurück, um Projekte, die ich angehe, im Vorfeld so zu durchdenken, dass ich eventuell entstehende Probleme frühzeitig aus dem Weg räumen kann. Durch diese bewusste Beschäftigung mit ihm gebe ich diesem Teil von mir regelmäßig das Feed-back, dass er wichtig und wertvoll ist. Das Faszinierende daran ist, dass er sich so wertgeschätzt fühlt und immer weniger aus dem Unbewussten heraus agiert. Und mit ein wenig Übung ist es mir gelungen, diese Momente zu erkennen und ihm dann bewusst zuzuhören. Wenn ich das tue, dann kann ich mir anschließend überlegen, ob ich seiner Einschätzung nun folgen mag, oder mich anders entscheide. Und paradoxerweise nimmt er mir das dann auch gar nicht übel – denn ich habe ihn ja gehört und mehr will er gar nicht. Was ich mit seinen Informationen anfange ist für ihn gar nicht so wichtig. Wenn ich ihn aber unterdrücke und „weghaben“ will, dann wehrt er sich (wie alle unterdrückten Anteile und Gefühle) und meldet sich immer wieder – so lange, bis er die Rückmeldung bekommt, dass seine Nachricht angekommen ist.

 

Frerundschaft mit dem inneren Kritiker schließen

Kämpfst Du auch gelegentlich mit Deinem inneren Kritiker und machst Dir das Leben damit schwer? Kennst Du das, dass Du auch andere gerne kritisierst und am liebsten verändern möchtest? Dann wäre es vielleicht an der Zeit, Freundschaft mit Deinem inneren Kritiker zu schließen. Nimm Dir einfach gelegentlich ein wenig Zeit, setzt Dich an einen ruhigen Ort und nimm Kontakt zu ihm auf. Dazu kannst Du ihn Dir gerne auch als Person vorstellen. Und dann frage ihn, was er Gutes für Dich tun will (denn alle unsere inneren Anteile haben immer eine positive Grundabsicht) und horche in Dich hinein. Es ist oft spannend zu erfahren, welche Antworten wir dabei bekommen.

In einem zweiten Schritt kannst Du ihm Wertschätzung zeigen und vielleicht auch fragen, was DU ihm Gutes tun kannst. Und anstatt ihn weghaben zu wollen, kannst Du ihm dann innerlich das geben, was ihm gut tut. Da unser Unterbewusstsein wie ein magischer Garten funktioniert, können das die ausgefallensten Dinge sein. Lass Dich überraschen und dann schließe Freundschaft mit ihm – und Du wirst sehen, dass er ein sehr wertvoller Freund für Dich sein kann.

Und wenn Du mal wieder merkst, dass er unbewusst aktiv ist (das merkst Du ganz einfach daran, dass Du Dich selbst oder Dein Gegenüber kritisierst und verändern möchtest), dann wende Dich ihm ganz bewusst zu und frage ihn nach seiner Meinung. Wertschätze diese wichtige Information und frage Dich dann, ob es für Dich hilfreich ist, dieser zu folgen oder einen anderen Weg zu beschreiten.

Ich wünsche Dir viel Freude mit dieser neuen Freundschaft.

Dein
Axel